4 Minuten Lesedauer

Strukturvertriebe: Verkaufsdruck und die Schattenseiten der Provisionsberatung

Die aktuelle ARD-Sendung "Marktcheck" hat eindrücklich gezeigt, wie Verbraucher durch Strukturvertriebe systematisch mit provisionsgetriebenen Finanzprodukten überhäuft werden. Besonders drastisch war der Fall eines Mannes, dem gleich 13 verschiedene Verträge verkauft wurden – völlig am tatsächlichen Bedarf vorbei. Der Beitrag zeigt ein Problem, das in der Finanzbranche seit Jahrzehnten bekannt ist, aber noch immer nicht gelöst wurde: Verkäufer handeln im eigenen Interesse statt im Interesse der Kunden.

Was sind Strukturvertriebe und warum sind sie problematisch?

Strukturvertriebe wie die Deutsche Vermögensberatung (DVAG), Swiss Life Select, tecis oder MLP setzen auf ein pyramidenartiges System, in dem Berater nicht nur selbst verkaufen, sondern auch neue Verkäufer anwerben müssen. Diese werden dann zu "Vermögensberatern" oder "Finanzcoaches" ausgebildet – oft ohne tiefere Fachkenntnisse oder qualifizierte Ausbildung. Der Fokus liegt nicht auf unabhängiger Beratung, sondern darauf, möglichst viele provisionsstarke Verträge zu verkaufen.

Die typischen Probleme der Strukturvertriebsberatung:

  • Produktvertrieb statt Beratung: Die Verkäufer haben oft ein begrenztes Portfolio an Produkten, die sie verkaufen dürfen. Eine unabhängige Analyse oder eine Auswahl am Markt gibt es nicht.
  • Hohe Provisionen, fragwürdige Produkte: Provisionen von mehreren Tausend Euro pro Vertrag sind keine Seltenheit. Dadurch geraten oft teure, langfristig unrentable Produkte in den Vordergrund.
  • Kein echter Verbraucherschutz: Die Vertriebler agieren als gebundene Vermittler, nicht als unabhängige Berater. Eine Verpflichtung zur objektiven Beratung besteht nicht.
  • Mehr Abschlüsse = mehr Geld: Die meisten Strukturvertriebsmitarbeiter arbeiten mit einem provisionsbasierten Einkommen. Wer nichts verkauft, verdient nichts – ein enormer Verkaufsdruck entsteht.

Beispiel aus dem ARD-Beitrag: 13 Verträge ohne Sinn und Verstand

Der im Beitrag gezeigte Fall ist kein Einzelfall. Ein Verbraucher wurde mit 13 Verträgen überhäuft, ohne dass eine echte Bedarfsanalyse stattgefunden hätte. Die Verkäufer verdienten daran vermutlich mehrere Tausend Euro, während der Kunde mit unnötigen und teuren Policen zurückblieb.

Hier können sie den Beitrag ansehen: ▶ ARD Marktcheck: Provisionsgetriebene Finanzprodukte

Vergleich: Produktverkauf vs. Honorarberatung

Merkmal

Produktverkauf (Provision)

Honorarberatung

Vergütungssystem

Provisionen durch Produktanbieter

Festes Honorar vom Kunden

Beratungsziel

Verkauf provisionsstarker Produkte

Individuelle Beratung ohne Verkaufsdruck

Transparenz

Oft intransparente Kostenstruktur

Klare, nachvollziehbare Honorare

Interessenkonflikte

Hoher Verkaufsdruck, Anbieterinteressen stehen im Vordergrund

Kundeninteressen stehen an erster Stelle

Langfristiger Nutzen

Oft hohe Kosten, lange Vertragsbindung

Kostenkontrolle und flexible Lösungen

 

Systematik der Provisionsvergütung

Die Vergütung im provisionsbasierten Produktverkauf erfolgt durch die Anbieter der Finanz- oder Versicherungsprodukte. Ein Beispiel:

  • Lebens- und Rentenversicherungen: Die Abschlussprovision liegt oft zwischen 3 % und 5 % der Beitragssumme. Bei einem Vertrag mit 200 Euro monatlichem Beitrag und 30 Jahren Laufzeit ergibt sich eine Beitragssumme von 72.000 Euro. Eine Provision von 4 % bedeutet somit 2.880 Euro für den Vermittler.
  • Investmentfonds: Vermittler erhalten oft einen Ausgabeaufschlag von 3 % bis 5 % der Anlagesumme sowie eine jährliche Bestandsprovision von 0,5 % bis 1 % des Anlagevolumens.
  • Bausparverträge: Hier werden meist zwischen 1 % und 1,6 % der Bausparsumme als Provision gezahlt.

Echte Finanzberatung braucht Unabhängigkeit

Der Fall zeigt erneut, warum eine echte Honorarberatung die einzige faire Alternative für Verbraucher ist. Honorarberater verkaufen keine Produkte – sie beraten unabhängig und werden ausschließlich vom Kunden bezahlt. Ohne versteckte Provisionen, ohne Verkaufsdruck, ohne Interessenkonflikte.

Ein gesetzliches Provisionsverbot für Finanzprodukte – wie es in Großbritannien oder den Niederlanden längst existiert – wäre ein konsequenter Schritt, um Verbraucher vor solchen Machenschaften zu schützen.

Bis dahin bleibt nur eines: Augen auf bei der Beraterwahl!

geschrieben von VDH Redaktion

Der Verbund Deutscher Honorarberater (VDH) ist Pionier für die unabhängige und provisionsfreie Finanzberatung in Deutschland. Er hat die Honorarberatung in den letzten 22 Jahren maßgeblich etabliert.

Blog Empfehlungen

Jetzt unseren Blog abonnieren