Honorarberatung vs. Servicegebühren: Echte Unabhängigkeit braucht ein sauberes Modell
Ein Expertenbeitrag für alle, die Beratung nicht verkaufen – sondern gestalten.
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Dieter Rauch
:
24.07.25 12:44
Ein Expertenbeitrag für alle, die Beratung nicht verkaufen – sondern gestalten.
In einer Zeit, in der sich der Regulator mit der EU-Kleinanlegerstrategie erneut gegen Provisionen positioniert und Marktteilnehmer über alternative Vergütungsmodelle diskutieren, scheint das sogenannte Serviceentgelt für viele als Brücke in eine unabhängige Zukunft.
Doch diese Brücke führt nur selten zum Ziel – und schon gar nicht zur echten, gesetzlich geschützten Honorarberatung nach § 34h GewO oder § 34d Abs. 2 GewO. Warum das so ist, wo die Unterschiede liegen – und warum echte Honorarberater keine Umwege gehen sollten –, beleuchtet dieser Beitrag.
Denn eines ist klar: Unabhängigkeit beginnt nicht bei der Vergütung, sondern bei der Haltung. Es geht nicht darum, Provisionen durch andere indirekte Vergütungen zu ersetzen, sondern darum, Beratung wieder zu dem zu machen, was sie sein sollte – eine Dienstleistung, die ausschließlich im Auftrag des Kunden erfolgt. Und das bedeutet: volle Transparenz, klare Leistung, nachvollziehbare Vergütung.
Unabhängigkeit bedeutet in der Praxis auch: Entscheidungen zu treffen, die vielleicht kurzfristig weniger einbringen, langfristig aber Vertrauen und Reputation schaffen. Eine aufwandsbasierte Honorarberatung ist ein solches Investment – in die eigene Integrität und in die Qualität der Kundenbeziehung.
Das Serviceentgelt ist in der Finanzberatung ein populär gewordenes Vergütungsmodell. Es ersetzt klassische Provisionen durch eine prozentuale Gebühr auf das Depotvolumen – meist zwischen 0,5 % und 1,5 % p. a. Dieses Modell wird häufig als Alternative zur provisionsbasierten Betreuung verkauft, obwohl es strukturell ähnliche Probleme birgt: Es ist entkoppelt vom tatsächlichen Aufwand und knüpft die Einnahmen des Beraters direkt an die Höhe des verwalteten Vermögens.
Formal betrachtet handelt es sich um eine „laufende Vergütung für Betreuungsleistungen“, die viele Vermittler über Plattformen wie Fondsbanken oder Maklerpools einziehen lassen – häufig in Kombination mit Clean Share Classes. Aus Marketingperspektive klingt das kundenorientiert, in der praktischen Umsetzung bleibt jedoch vieles vage: Welche Leistung wird konkret erbracht? Wie oft findet die Betreuung statt? Welche Kriterien entscheiden über die Angemessenheit der Gebühr?
Aber: Diese Art der Vergütung ist weder aufwandsbasiert noch unabhängig von Dritten. Sie ist nicht rechtskonform für Honorarberater, die ihre Tätigkeit auf Grundlage einer Zulassung nach § 34h oder § 34d Abs. 2 ausüben. Der Gesetzgeber steht hier eindeutig auf Seiten der Verbraucherinteressen – und verlangt klare Trennung, Verzicht auf Zuwendungen und transparente, eigenständige Honorare.
Auch wenn der Begriff „Service“ suggeriert, dass hier echte Mehrwerte erbracht werden, bleibt die inhaltliche Ausgestaltung oft diffus. Ein echter Service müsste nicht nur dokumentiert, sondern auch messbar sein. Beratung, die nicht regelmäßig stattfindet oder deren Nutzen nicht evaluiert wird, rechtfertigt keine laufende Gebühr – vor allem dann nicht, wenn diese an das Depotvolumen gekoppelt ist.
Die gesetzliche Honorarberatung ist kein Marketingbegriff, sondern ein klar geregelter Berufszugang. Sie ist Ausdruck eines Berufsbildes, das vollständig auf Kundeninteresse ausgerichtet ist – ohne Kompromisse:
§ 34h GewO: Honorar-Finanzanlagenberater
§ 34d Abs. 2 GewO: Versicherungsberater
WpHG § 93: Honorar-Anlageberater bei Kreditinstituten
Diese Berater dürfen keine Zuwendungen oder Provisionen annehmen – auch nicht indirekt über Plattformen, Pools oder Dienstleister. Die Vergütung muss ausschließlich vom Kunden stammen und sich an konkreten Leistungen oder Zeitaufwand orientieren. Das schafft nicht nur Rechtsklarheit, sondern stellt auch sicher, dass nur dann Vergütung fließt, wenn echte Leistung erbracht wurde.
Echte Honorarberatung ist kein theoretisches Konstrukt, sondern gelebte Praxis – mit klaren Spielregeln, transparenten Prozessen und dem Anspruch, nicht zu verkaufen, sondern zu befähigen. Sie verlangt vom Berater nicht nur fachliches Know-how, sondern auch unternehmerische Klarheit: Wer seinen Erfolg langfristig an den Nutzen seiner Kunden koppelt, muss bereit sein, Aufwand sichtbar zu machen und fair zu bepreisen.
Honorar-Finanzanlagenberater dürfen „keine Zuwendungen von Dritten“ annehmen oder behalten – das betrifft auch Plattformen, die die Abrechnung technisch ermöglichen, aber aus Rückvergütungen gespeist werden.
Wenn das Serviceentgelt über eine Depotbank oder einen Vermittlerpool im Rahmen einer Produktabwicklung abgerechnet wird, liegt bereits ein unzulässiger Vergütungsfluss über Dritte vor. Das Verbot umfasst nicht nur monetäre Leistungen, sondern auch geldwerte Vorteile wie Abrechnungssysteme, Kundenakquise-Tools oder Analysezugänge, die von Dritten bereitgestellt und finanziert werden.
Die Regulierung will hier keine Grauzonen – und unterscheidet sehr klar zwischen erlaubter Selbstvergütung durch den Kunden und unerlaubten, oft verschleierten Formen der Drittvergütung. Wer als Honorarberater arbeitet, muss deshalb auch in der technischen Abwicklung seiner Honorare einen sauberen, direkten Zahlungsweg wählen.
Das Gesetz verlangt eine honorartypische Vergütung:
Stundenhonorare
Pauschalen für klar definierte Leistungen
Tageshonorare
Projektbezogene Abrechnung
Nicht zulässig ist eine laufende Vergütung in Abhängigkeit vom Volumen, weil sie:
nicht leistungsbezogen ist
keine Transparenz im Aufwand bietet
dem Modell der Vermögensverwaltung ähnelt, das anderen Lizenzvorgaben (z. B. § 32 KWG) unterliegt
eine strukturelle Interessenkollision erzeugt – denn mehr Vermögen bedeutet mehr Einnahme, unabhängig von der Leistung
Der Gesetzgeber ist hier eindeutig: Kunden sollen sich darauf verlassen können, dass die Vergütung nicht durch Produktwahl oder Volumenhöhe beeinflusst wird.
Viele Berater, die heute über ein hybrides Modell arbeiten – also Provision + Serviceentgelt –, betrachten das prozentuale Entgelt als Brücke zur Unabhängigkeit. In Wirklichkeit bleibt aber:
Der Interessenkonflikt bestehen
Die Abhängigkeit von Produktgebern bestehen
Die Intransparenz bestehen
Noch gravierender: Kunden erkennen oft nicht, dass sie weiterhin indirekt Produkte finanzieren – sei es durch vermögensbasierte Gebühren oder durch Servicepakete, deren Nutzen nicht klar kommuniziert ist. Die viel zitierte Unabhängigkeit bleibt eine Fiktion – das Vertrauen leidet.
Die Servicegebühr ist keine Honorarberatung, sondern ein Kompromiss. Für Vermittler akzeptabel – für echte Honorarberater nicht zulässig. Wer den Begriff „Honorarberatung“ nutzt, muss bereit sein, sich an dessen ethische und rechtliche Grundlagen zu halten.
Der Kunde sieht:
Was wird geleistet?
Wie viel Zeit wird dafür benötigt?
Welche Kosten entstehen konkret?
Das schafft Vertrauen und stärkt die Kundenbeziehung langfristig. Auch psychologisch wirkt das honorarbasierte Modell anders: Der Kunde ist aktiver Teil des Beratungsprozesses – nicht bloßer Konsument eines Produkts.
Nur eine aufwandsbezogene Vergütung stellt sicher:
Keine Zuwendungen oder verdeckten Rückflüsse
Keine umsatzsteuerlichen Risiken durch Vermischung von Vermittlung und Beratung
Keine rechtlichen Angriffsflächen bei der Einordnung des Geschäftsmodells
Ein volumenbasiertes Serviceentgelt auf Drittbasis dagegen birgt erhebliche rechtliche und steuerliche Risiken – und kann im Ernstfall zur existenziellen Bedrohung werden.
Ein echter Honorarberater wird nicht für Produkte entlohnt, sondern für:
Analysen
Empfehlungen
Umsetzungshilfe
Strategische Begleitung über Jahre
Die Fähigkeit, Menschen zu befähigen, selbstständig Finanzentscheidungen zu treffen
Echte Honorarberatung ist nicht nur rechtlich sauberer, sondern auch fachlich anspruchsvoller. Sie steht für Qualität, Spezialisierung und ein Berufsverständnis auf Augenhöhe.
Die Diskussion über Serviceentgelte mag vielen als Einstieg in eine neue Welt erscheinen – doch wer die Tür zur echten Honorarberatung öffnen will, darf nicht mit einem Bein in der Provisions- oder volumenbasierten Logik bleiben.
Wer das volle Potenzial echter Unabhängigkeit, Transparenz und Rechtsklarheit ausschöpfen will, muss bereit sein, neue Wege zu gehen:
Ohne Plattform-Prozente
Ohne Drittvergütungen
Ohne Umwege
Denn wer seine Kunden wirklich unabhängig beraten will, braucht nicht nur ein anderes Preismodell – sondern ein anderes Selbstverständnis.
Die Zukunft gehört denen, die Beratung nicht verkaufen – sondern gestalten.
Und sie beginnt mit einer klaren Entscheidung.
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