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Produktverkauf und Bestandshonorar als Ersatz für Provisionen?

A portrait of two co-workers, a wall street businessman and a main street worker, one being negative and angry, the second one positive and optimistic, isolated on a white background. World polarityWer sich Honorarberater/-in nennt, erhält keine Provisionen, berät unabhängig und íst ergebnisoffen. Ist das so? Kommt drauf an!

Es gibt die unterschiedlichsten Vergütungsmodelle für und von Honorarberater/-innen. Das sind zum Beispiel Stundensätze, Pauschalhonorare, vermögensabhängige Honorare oder auch Erfolgshonorare. Und dann auch noch die Vermittlungshonorare der sogenannten "Honorarvermittler". Aber die haben mit Honorarberatung so gar nichts zu tun, nennen dürfen sie sich aber trotzdem Honorarberater/-in.

Das wesentliche Merkmal einer unabhängigen Beratungsleistung ist es ergebnisoffen zu beraten und keinen Interessenskonflikten ausgesetzt zu sein. Die ergeben sich aber spätestens dann, wenn eine Beratungsleistung über das vermitteln von Produkten oder aus dem Produktvolumen selbst vergütet wird. Also dann, wenn das Volumen oder eine Beitragssumme als Grundlage der Beratungs- und/oder Betreuungsvergütung dient. Das Interesse der Berater/-innen ist dann womöglich auf ein möglichst hohes Anlage- oder Versicherungsvolumen fokussiert. Das ist in der "alten" provisionsbasierten Welt identisch. 

Wie ist das mit den Provisionen?

Das Provisionsmodell steht gerade wegen dieser Vergütungspraxis und denn damit einhergehenden Interessenskonflikten in der Kritik. Eine unabhängige Beratung wird damit torpediert. Ohne Abschluss gibt es keine Vergütung, weder für die Beratung noch für eine Betreuung. Außerdem steht diese Vergütung nicht im Zusammenhang mit der eingesetzten Zeit und dem tatsächlichem Aufwand. Daher kommt es, dass für geringe Zeitaufwände oft absurd hohe Provisionen bezahlt werden oder umkehrt für sehr hohe Aufwände nur geringe Provisionen. Betriebswirtschaftlich betrachtet ist das völliger Nonsens und absolut unkalkulierbar. 

Ein Beispiel: Nehmen wir an, der Vermittler eines Finanzprodukts wendet 10 Stunden für die Vorbereitung des Vermittlungserfolgs, nennen wir es mal Beratung von Lisa Müller auf. Anschließend soll mit dem Verkauf von Produkten die Entlohnung finanziert werden. Der intern erforderliche Stundensatz wurde mit 180 Euro kalkuliert. Ja, auch Provisionsberater haben einen Stundensatz, der für den Aufwand kalkuliert werden muss. Das Ergebnis des Verkaufsgesprächs ergibt einen "Produktbedarf", der die vorhandene Lücke in der Altersvorsorge zu schließen. Lisa Müller hat dafür monatlich 250 Euro zur Verfügung.

Der Finanzproduktverkäufer benötigt also ein Produkt, welches 10 Stunden a' 180 Euro finanziert. Empfiehlt er/sie beispielsweise einen ETF-Sparplan, dann geht er leer aus und erhält keine Provisionen. Daher entschließt er/sie sich eine fondsgebundene Rentenversicherung mit Anlage in ETFs zu verkaufen - die bietet ja angeblich soviele steuerlichen Vorteile (Sparplan vs. Versicherung). Der Verkäufer rechnet sich seinen Verdienst aus. 250 Euro monatlich mal 12 Raten jährliche mal 30 Jahre Vertragslaufzeit und davon 4% Provision - Ergebnis: 3.600 Euro Abschlussprovision. Die Verkleidung der ETFs in einer Rentenversicherung sorgen für saftiges Stundenhonorar von 360 Euro. Das doppelte von dem, was an Stundensatz erforderlich wäre. 

Umgekehrt: Lisa Müller kann nur 100 Euro monatlich statt der 250 Euro im ersten Beispiel sparen. Die gleiche Rechnung (Monatsbeitrag x Raten pro Jahr x Laufzeit x 4% Provision) bringt einen Provisionsanspruch von nur 1.440 Euro. Daraus ergibt sich ein Stundensatz von nur 144 Euro und damit ein Minus von 36 Euro pro aufgewandter Beratungsstunde. Gesamt ein Minus von 360 Euro.

Das Totschlagargument

Der Berater könnte dazu geneigt sein das Totschlagargument aus seiner Tasche zu ziehen. Er verkleidet sich als Honorarberater/-in und legt alle möglichen Pseudo-Mathematische (Verkaufs)-Gutachten vor. Ja, richtig. Er nennt sich nun völlig legal Honorarberater und vermittelt jetzt das Netto-Produkt auf Honorarbasis. So kann er ganz legal bis zu 8% Vermittlungshonorar einstreichen - ohne Stornohaftung das doppelte der Provision. Im Fall von Lisa Müller sind das dann bis zu 2.880 Euro oder ein Stundensatz von sage und schreibe 288 Euro.Ein Stundensatz von sage und schreibe 288,00 Euro. Das für einen Sparvorgang von monatlich 100 Euro. 

Aber schließlich ist es ein Nettoprodukt und daher kann Lisa Müller gerne auch mal das doppelte dafür bezahlen. Verkehrte Welt! Ein Nettoprodukt, um das Doppelte abzukassieren. Bequem ist es noch oben drein. Denn: Lisa "darf" das Honorar in Raten zahlen und zwar unabhängig davon, ob sie es sich später wieder anders überlegt und kündigt. Klasse, denkt sich der Verkäufer mit dem Label des Honorarberaters (=Honorarvermittler). Das doppelte verdienen, keine Stornohaftung und einen Stundensatz, von denen echte Honorarberater träumen bzw. Alpträume bekommen. So sieht die Realität leider immer öfter aus. Unterstützt wird das ganze auch. Natürlich von denen, die am meisten davon profitieren: Versicherungsgesellschaften, Dienstleistern und Pools.  

Honorarberatung und die Crux mit dem Umdenken von Provisionsberatern

Zurück zur Frage des Honorars und der aufwandsunabhängigen Vergütung. Dazu zählen folgende Varianten:

  • Provisionen für den Abschluss
  • Bestandsabhängige Provisionen
  • Erfolgshonorare
  • Volumen-/beitragsabhängige Vermittlungshonorare
  • Volumen-/beitragsabhängige Betreuungshonorare

Oft hören wir beim Verbund Deutscher Honorarberater die Frage von Interessenten: "Wie viel kann ich  für eine Berufsunfähigkeitsversicherung, ein Depot oder eine fondsgebundene Rentenversicherung an Honorar verlangen?" Diese Frage ist aus Sicht eines Maklers oder Verkäufers berechtigt. Denn die Branche hat ein Heer von Vermittlern über Jahrzehnte auf Produktverkauf getrimmt. Im Mittelpunkt stand das Produkt, welches letzlich die Vergütung sichert. Wenn der Absatz stockte wurden Incentives gestartet und Vermittler und Produktanbieter waren "best friends". Für viele (Honorar)-Vermittler, ist es schwer vorstellbar, nur das Know-how und die Zeit honoriert zu bekommen. 

Aber: Nur weil Honorarberatung auf der Verpackung steht, ist es eben noch keine drin. Die Qualität entsteht erst durch die Qualifikation der Berater/-innen, einer ergebnisoffenen Beratung sowie der produktunabhängigen Vergütung.

Wo ist der Unterschied zwischen Bestandsprovision und Betreuungshonorar (Serviceentgelt)

Die allermeisten Honorarberater/-innen nach dem "Reinheitsgebot" arbeiten ausschließlich mit Stundenhonoraren und festen Pauschalen für die laufende Betreuung. Kritiker dieser Puristen werfen ein, dass durch aufwandsunabhängige Honorare, wie z.B. Serviceentgelten auf Depotvolumen gewissen Skaleneffekte entstehen und diese durch verbesserten Service für kleinere Volumen gerechtfertigt sind.

Genauso argumentieren auch die "Provisionslobbyisten". Sie nennen es sozial und ausgewogen, weil nach ihrer Meinung ein sozialer Ausgleichseffekt entsteht. Der eine zahlt mehr, damit der andere weniger bezahlt. Unberücksichtigt bleibt in dieser Argumentation, dass diese Form der Vergütung hohe Interessenskonflikte in sich birgt. Am Ende einer Beratung muss z.B. eine Vermögensverwaltung, eine Versicherung oder ein anderes Vehikel zur Erzielung von (laufenden) Honoraren stehen. Ist das unabhängig? Stellt sich bei aller Ethik und Moral, Transparenz und Angemessenheit die Frage nach der Wirtschaftlichkeit für Berater/-innen.

Echte Honorarberater rechnen anders! Und effizienter...

Ausgehend von jährlich verfügbaren Beratungsressourcen von etwa 800 Beratungstunden und einem Stundensatz von 180,00 Euro erzielt ein Honorarpurist einen Umsatz von 144.000 Euro p.a. (12.000 Euro im Monat).

Für den gleichen Ertrag muss ein Honorarvermittler bei einem Vermittlungshonorar von 5% jedes Jahr eine Beitragssumme von 2.880.000 Euro erreichen. Für einen investmentaffinen Berater bedeutet das bei 1% aufwandsunabhängigen Honorar ein betreutes Volumen von 14 Mio. Euro. Das haben die wenigsten in der breiten Masse. 

Das aufwandsbezogene Honorar wird tatsächlich nur für die eingesetzte Zeit berechnet. Bei acht Stunden Betreuung pro Jahr kann ein/e Berater/-in rund 100 Mandaten beraten. Dann ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Der wesentliche Unterschied ist die vollständige Unabhängigkeit von Produktherstellern, Depotbanken und Investmenthäusern mit dem Ergebnis der völligen Unabhängigkeit. Die Zeit wird vergütet - pauschal oder eben pro einzelner Stunde im einzelnen. Das ist nicht nur exakt planbar, sondern auch extrem transparent und fair. 

Warum sollte ein Anleger für ein Modellportfolio von 100.000 Euro das zehnfache bezahlen wie für ein Portfolio von 10.000 Euro. Umso enger die Bezahlung mit dem Produktverkauf verquickt ist, umso mehr ist der Interessenskonflikt vorprogrammiert. Alles dreht sich am Ende um Volumen. Das kennen wir seit Jahrzehnten aus dem Provisionsvertrieb und es bleibt zu hoffen, dass die Honorarberatung und zumindest die, die es damit ehrlich meinen nicht alten Wein in neuen Schläuchen verkaufen. 

Ein persönliches Wort zum Schluss: Ich halte die echte Honorarberatung für gescheitert, wenn sich Produktgeber mit ihren Gatekeepern "Honorarvermittler" (vorwiegend aus dem Versicherungssegment) oder Berater/-innen, die sich hinter dem Storytelling und Fashionbusiness der angeblich prognosefreien Wertpapierberatung verstecken und am Ende einmal mehr der Kunde auf der Strecke bleibt. Er ist die willkommene Zapfstelle Produkte, aus denen sich der Verdienst speist. Da ist es dann unwichtig, ob es Provision oder Honorar heißt. 

Die Lösung ist ganz einfach. Was der Honorarberatung fehlt ist eine rechtsverbindliche Gebührenordnung, wie in allen anderen Honorar-Berufen (Ärzte, Architekten, Steuerberater, Notare oder Rechtsanwälte) auch. Eine gute Grundlage hierfür bietet die Gebührenordnung für Steuerberater.

 

geschrieben von Dieter Rauch

Dieter Rauch ist Gründer und Geschäftsführer des VDH. Seit 34 Jahren ist er in der Finanzbranche tätig. Seit 1992 hat er sich der Honorarberatung verschrieben. Er besitzt verschiedene Qualifikationen u.a. zum Finanzwirt (bbw), Fachwirt für Finanzberatung, Masterconsultant in Finance (MFC) sowie zum Fachberater für Finanzdienstleistungen (IHK). Zusätzliche Ausbildungen (Certified Fee Based Financial Advisor) hat er an der Steinbeis Hochschule in Berlin erfolgreich abgeschlossen. Seit 2017 ist er Zertifizierter Berater für Indexprodukte (IFH). Im Zeitraum 1992 bis 2000 hat er erfolgreich einen Honorarberater-Betrieb mit über 1.000 Mandanten aufgebaut. Im Jahr 2000 gründete er den Verbund Deutscher Honorarberater in Frankfurt und baute sowohl Produkte im Versicherungswesen, als auch die erste Fondsplattform für Honorarberater auf. Rauch gilt als Pionier für Honorarberatung in Deutschland.

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