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Die unsichtbare Gefahr: Provisions-Surrogate in der Honorarberatung
19.11.2024
Die Unsicherheit um echte Honorarberatung
"Die Honorarberatung ist wie ein Kompass im Finanzdschungel - sie muss frei von magnetischen Störungen bleiben, um den richtigen Kurs zu weisen."
Die Grenze zwischen echter Honorarberatung und der provisionsbasierten Vermittlung wird zunehmend unschärfer. Ein aktueller Artikel auf ProContra Online zur Vergütung der ETF-Vermittlung veranschaulicht diese Entwicklung und die damit verbundenen Risiken. Für echte Honorarberatung ist es von zentraler Bedeutung, nicht nur tatsächlich unabhängig zu agieren, sondern diese Unabhängigkeit auch klar zu kommunizieren. In der Praxis verwischen die Grenzen jedoch zunehmend, was sowohl Berater als auch Verbraucher vor Herausforderungen stellt. Wenn Verbraucher das Gefühl haben, dass ihr Berater möglicherweise nicht im besten Interesse handelt, leidet die Glaubwürdigkeit der gesamten Branche. Für echte Honorarberater ist es deshalb wichtiger denn je, ihre Unabhängigkeit und Transparenz in den Vordergrund zu stellen, um das Vertrauen der Kunden zu gewinnen und zu bewahren.
Abhängige Produktvermittlung oder Honorarberatung?
"Volumenbasierte Honorare sind wie Wölfe im Schafspelz - sie mögen unschuldig wirken, doch ihr Kern ist immer noch von Eigeninteressen geprägt."
Das Fundament der echten Honorarberatung ist ein klarer Grundsatz: Transparenz und Unabhängigkeit stehen an erster Stelle. Honorarberater, die gemäß § 34h GewO zugelassen sind, bieten ihren Kunden eine Beratung frei von Interessenkonflikten und fokussieren sich ausschließlich auf deren Bedürfnisse. Dieses Modell schließt Provisionen oder versteckte Vergütungen vollständig aus und basiert stattdessen auf einem festen Honorar für die Beratungsleistung. Dadurch werden externe Anreize, die das Beratungsgespräch beeinflussen könnten, eliminiert. Die Beratungsqualität und das Kundenwohl sind die einzigen Maßstäbe für den Erfolg.
Problematisch wird es jedoch, wenn Finanzanlagenvermittler nach § 34f GewO – oft als "Honorarvermittler" bezeichnet – auftreten und Honorarmodelle anbieten, die in Wahrheit stark provisionsähnlich sind. Besonders bei volumenbasierten Honoraren verschwimmt die Grenze zur provisionsbasierten Produktvermittlung. Wenn ein Honorar auf der Grundlage des verwalteten Vermögens, etwa für vermittelte ETFs, berechnet wird, mag dies formal provisionsfrei sein, doch bleibt das finanzielle Interesse des Beraters an Abschluss und Wertsteigerung bestehen. Diese Praxis führt zu einem Interessenkonflikt, der der Grundidee der echten Honorarberatung widerspricht. Der Fokus verschiebt sich von einer unabhängigen, ganzheitlichen Beratung hin zu einer interessengeleiteten Produktvermittlung, bei der der Kunde möglicherweise nicht die objektiv beste Lösung erhält.
Ein weiterer problematischer Aspekt volumenbasierter Honorarmodelle ist, dass diese dazu führen können, dass Berater in spekulative Produkte investieren, um die Rendite des verwalteten Vermögens und damit ihr eigenes Honorar zu maximieren. Dies widerspricht oft dem Interesse des Kunden, insbesondere wenn dieser nicht vollständig über die Risiken informiert wird. Solche Modelle untergraben die Glaubwürdigkeit der Honorarberatung und schaffen den Eindruck, dass auch hier finanzielle Eigeninteressen des Beraters eine Rolle spielen.
Volumenbasierte Honorarmodelle: Der falsche Weg zur Transparenz
"Ein Honorarberater, der volumenbasierte Modelle nutzt, ist wie ein Navigator, der den Kurs nicht nur nach der sichersten Route, sondern auch nach den für ihn vorteilhaftesten Häfen auswählt."
Der aktuelle Trend, die Vergütung der ETF-Vermittlung über volumenabhängige Honorare zu gestalten, ist besonders kritisch zu betrachten. Diese Praxis ist im Grunde nichts anderes als ein Provisionsersatz, der den eigentlichen Vorteil der unabhängigen Beratung aushebelt. Auch wenn volumenbasierte Honorare zunächst wie eine alternative Vergütungsform erscheinen, verbergen sie doch denselben Interessenkonflikt wie klassische Provisionen: Der Berater verdient nur dann, wenn ein Depot/Produkt vermittelt wird und das Anlagevolumen steigt – unabhängig davon, ob diese Strategie für den Kunden tatsächlich die beste Lösung ist. Das bedeutet, dass die Interessen des Kunden oft in den Hintergrund treten, während das finanzielle Wohlergehen des Beraters an erster Stelle steht.
Darüber hinaus bedeutet eine volumenbasierte Vergütung häufig, dass der Fokus stark auf die Vermittlung von Produkten wie ETFs oder Fondspolicen gelegt wird, während andere Beratungsthemen vernachlässigt werden. Themen wie eine umfassende Ruhestandsplanung, Absicherung gegen Risiken oder eine breite finanzielle Aufklärung geraten oft in den Hintergrund, da sie keinen direkten Einfluss auf das Honorar haben. Das steht im klaren Widerspruch zum Anspruch der Honorarberatung, die stets das Wohl des Kunden und eine ganzheitliche Beratung in den Mittelpunkt stellt.
Volumenbasierte Modelle fördern auch eine einseitige Beratung, bei der es hauptsächlich um den Verkauf bestimmter Produkte geht, anstatt wirklich auf die individuellen Bedürfnisse und Ziele des Kunden einzugehen. Berater, die volumenbasierte Honorare nutzen, neigen dazu, Kunden in Anlagen mit höheren Renditechancen, aber auch höheren Risiken zu drängen, um ihr eigenes Honorar zu maximieren. Dies führt nicht nur zu Interessenkonflikten, sondern auch zur Gefahr, dass der Kunde nicht ausreichend über die Risiken informiert wird und dadurch finanzielle Nachteile erleidet.
Empfehlung: Abstand von Surrogaten aus der Provisionswelt
Echte Honorarberater sollten sich bewusst von volumenabhängigen Modellen distanzieren. Diese sogenannten "Honorarvermittler" und ihre provisionsähnlichen Vergütungsmodelle verwässern den Begriff der Honorarberatung und untergraben deren Glaubwürdigkeit. Nur eine strikt aufwandsbezogene Vergütung kann sicherstellen, dass die Beratung tatsächlich im besten Interesse des Kunden erfolgt und frei von jeglichen finanziellen Eigeninteressen bleibt. Honorarberater sollten ihre Vergütungsstruktur so gestalten, dass keine Anreize gesetzt werden, die ihre Unabhängigkeit gefährden könnten. Eine aufwandsbezogene Vergütung, die die tatsächliche Beratungsleistung widerspiegelt, bietet die beste Garantie für echte Unabhängigkeit.
Um die Transparenz und Unabhängigkeit der Honorarberatung zu wahren, sollten Honorarberater ausschließlich auf aufwandsbezogene Vergütungsmodelle setzen. Verbraucher müssen sicher sein können, dass ihre Berater keine versteckten Motive verfolgen und stets im besten Interesse ihrer Mandanten agieren. Dies bedeutet, dass echte Honorarberater nicht nur eine objektive Produktauswahl bieten sollten, sondern auch eine umfassende Beratung, die auf die individuellen Bedürfnisse und Ziele der Kunden abgestimmt ist. Jeder Versuch, volumenbasierte Vergütungen als "Honorarberatung" zu tarnen, sollte entschieden abgelehnt werden.
Fazit
Die zunehmende Verwässerung der Honorarberatung durch volumenabhängige Honorarmodelle und hybride Vergütungsformen stellt eine ernste Bedrohung für die Glaubwürdigkeit der Honorarberatung dar. Der Verbund Deutscher Honorarberater empfiehlt daher allen Beratern, sich klar von den Surrogaten der Provisionswelt zu distanzieren und eine transparente, unabhängige Beratungsstruktur zu verfolgen. Nur so bleibt der Anspruch der Honorarberatung auf Transparenz, Unabhängigkeit und echte Kundenorientierung erhalten.
Die Zukunft der Honorarberatung liegt in der klaren Trennung von provisionsähnlichen Modellen und in einer konsequenten Fokussierung auf aufwandsbasierte Honorierung. Verbraucher sollten klar erkennen können, dass echte Honorarberatung eine Alternative ist, die sich vollständig am Wohl des Kunden orientiert und ohne Interessenkonflikte agiert. Um dies zu erreichen, muss die Honorarberatung ein starkes Bekenntnis zu echter Unabhängigkeit abgeben und alle Ansätze ablehnen, die das Vertrauen der Verbraucher untergraben.
Nur auf diese Weise kann sich die Honorarberatung langfristig als das Beratungsmodell etablieren, das den Kunden in den Mittelpunkt stellt und für vollkommene Transparenz sorgt.
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geschrieben von Dieter Rauch
Dieter Rauch ist Gründer und Geschäftsführer des VDH. Seit 34 Jahren ist er in der Finanzbranche tätig. Seit 1992 hat er sich der Honorarberatung verschrieben. Er besitzt verschiedene Qualifikationen u.a. zum Finanzwirt (bbw), Fachwirt für Finanzberatung, Masterconsultant in Finance (MFC) sowie zum Fachberater für Finanzdienstleistungen (IHK). Zusätzliche Ausbildungen (Certified Fee Based Financial Advisor) hat er an der Steinbeis Hochschule in Berlin erfolgreich abgeschlossen. Seit 2017 ist er Zertifizierter Berater für Indexprodukte (IFH). Im Zeitraum 1992 bis 2000 hat er erfolgreich einen Honorarberater-Betrieb mit über 1.000 Mandanten aufgebaut. Im Jahr 2000 gründete er den Verbund Deutscher Honorarberater in Frankfurt und baute sowohl Produkte im Versicherungswesen, als auch die erste Fondsplattform für Honorarberater auf. Rauch gilt als Pionier für Honorarberatung in Deutschland.