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66.000 neue Honorarberater in Deutschland?

An experienced tricky businessman in suit looking at his devil desguise shadow reflected on the wall conceptDie deutsche Provisionslobby, allen voran der den eigenen Interessen folgenden Versicherungsindustrie, möchte mit Panikmache und Märchenstunden eine bessere und an den Interessen von Millionen Verbraucherinnen und Verbrauchern orientierte Finanzberatung verhindern. Stattdessen will man auf ein Anreiz- und Vergütungssystem bauen, welches noch aus dem vorletzten Jahrhundert stammt und enorme volkswirtschaftliche Schäden verursacht.

Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet wurden im Jahr 2022 über 8 Mrd. Euro Provisionen an Vertreter und Makler für den Vertrieb von Versicherungen bezahlt. Die tatsächlichen Kosten für Verbraucherinnen und Verbraucher dürften deutlich über 10 Mrd. Euro liegen. Das sind z.B. zusätzliche Gebühren für die Verwaltung von Provisionen und Stornos. Und: Die laufend anfallenden jährlichen Kosten sind noch gar nicht berücksichtigt. Provisionen für den Vertrieb von Investmentfonds und Kapitalanlagen fehlen auch noch.

53,3 Millionen Stunden Honorarberatung

Oft wird bei der unabhängigen Honorarberatung ein Stundensatz von 150 Euro genannt. Das könne sich nicht jeder leisten, so das Argument der Honorargegner. Negiert wird dabei der Fakt, dass jeder, der Finanzprodukte auf Provisionsbasis kauft, fast immer deutlich mehr als im transparenten Honorarmodell berappen muss. 

Wären 8 Mrd. Euro Honorare statt Provisionen gezahlt worden, ergäbe das ausgehend von 150,00 Euro pro Stunde die schier unfassbare Zahl von mehr als 53.300.000 (53,3 Millionen) möglichen Beratungsstunden. Bei einer Produktivität (Zeit für Beratung) von etwa 40%, ergeben sich 800 Beratungsstunden pro Berater/Jahr und somit 66.000 Honorarberater und Beraterinnen für den deutschen Beratungsmarkt.

Jeder von diesen Beraterinnen und Beratern würde mit 800 möglichen Beratungsstunden einen Umsatz von jährlich 120.000 Euro erzielen und das ohne ein Produkt verkaufen zu müssen. Falls doch, dann weil es sinnvoll für den Verbraucher und nicht etwa wie heute üblich für den Produktverkäufer ist. Provisionen fließen nämlich nicht. 

Deutschlands Vermittler-Problem

In den USA beraten rund 40.000 Finanzplaner mehr als 300 Mio. Einwohner. Der Beruf hat ein hohes Ansehen in der Bevölkerung.  Im Vergleich dazu leistet sich Deutschland ca. 200.000 oft unterdurchschnittlich qualifizierte Versicherungsvertreter und Makler für ein Drittel der Bevölkerungszahl der USA. Die Folgen sind oft eine schlechte Beratungsqualität und purer Produktverkauf sowie ein Reputationsproblem. 

Das von der Finanzindustrie in einer Dauerschleife genannte Argument der Unterversorgung großer Teile der Bevölkerung bei Einführung eines Provisionsverbots ist ein Märchen. Das bestehende System sorgt für ein Überangebot und einen permanenten Verdrängungswettbewerb zum Schaden von Millionen von Verbrauchern.

Die beliebte Contra-Position "Honorarberatung könne sich nicht jeder leisten" ist falsch. Verbraucher/-innen zahlen bereits mehr für Finanzprodukte und Provisionen, als das in einem flächendeckenden Honorarberatungsangebot der Fall wäre.

Schon bei einem Betrag von 50,00 Euro monatlich für eine kapitalbildende (Fonds-)Rentenversicherung mit einer Laufzeit von z.B. 30 Jahren kostet einem Verbraucher über 500 Euro Abschlussprovision und zusätzlich einen enormen Renditenachteil. 

In Deutschland findet deswegen auch ein permanenter Umdeckungsprozess von Gesellschaft A zu Gesellschaft B und Gesellschaft B nach Gesellschaft C usw. statt. Kaum ein Vertrag erlebt das reguläre Ablaufdatum. Hinzu kommen die mickrigen Renditen der kostenintensiven Provisionsprodukte. Beides zusammen führt zu einem gigantischen volkswirtschaftlichen Schaden. Dieser muss umgehend beendet werden.

Wir brauchen sofort 

  • ein Provisionsverbot für jeglicher Art von Kapitalanlagen und kapitalbildenden Versicherungsprodukten

mindestens jedoch,

  • höhere Mindestqualifikationen für Beraterinnen und Berater
  • eine Gebührenordnung für Honorarberatung analog zu Steuerberater-Gebührenordnung
  • ein Honorar-Annahmeverbot für Vermittler GewO 34 d 1 (Versicherungsmakler) und ein Honorar-Annahmeverbot für Vermittler nach 34 f GewO (Schluss mit Honorarvermittlung mit absurden Honoraren und Provisions-Surrogaten)
  • ein verpflichtendes Angebot an Honorartarifen und Clean-Shares 
  • eine Bezeichnungspflicht für Finanzvermittler/-innen und einen Bezeichnungsschutz für Honorarberater/-innen

geschrieben von Dieter Rauch

Dieter Rauch ist Gründer und Geschäftsführer des VDH. Seit 34 Jahren ist er in der Finanzbranche tätig. Seit 1992 hat er sich der Honorarberatung verschrieben. Er besitzt verschiedene Qualifikationen u.a. zum Finanzwirt (bbw), Fachwirt für Finanzberatung, Masterconsultant in Finance (MFC) sowie zum Fachberater für Finanzdienstleistungen (IHK). Zusätzliche Ausbildungen (Certified Fee Based Financial Advisor) hat er an der Steinbeis Hochschule in Berlin erfolgreich abgeschlossen. Seit 2017 ist er Zertifizierter Berater für Indexprodukte (IFH). Im Zeitraum 1992 bis 2000 hat er erfolgreich einen Honorarberater-Betrieb mit über 1.000 Mandanten aufgebaut. Im Jahr 2000 gründete er den Verbund Deutscher Honorarberater in Frankfurt und baute sowohl Produkte im Versicherungswesen, als auch die erste Fondsplattform für Honorarberater auf. Rauch gilt als Pionier für Honorarberatung in Deutschland.

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