Honorarberater-Magazin

Die gefährliche Seite der Trend-ETFs: Wie Hype-Produkte Anlegergeld vernichten

Geschrieben von Dieter Rauch | 11.11.25 18:50

ETFs sind das Sinnbild für smarte Geldanlage. Doch eine spezielle Kategorie wird gezielt vermarktet, um von Anlegerstimmung zu profitieren – mit fatalen Folgen. Neue Studien zeigen, wie diese Produkte systematisch Vermögen vernichten und warum der Hype Sie teuer zu stehen kommt.

I. Einleitung

Exchange Traded Funds (ETFs) erfreuen sich ungebrochener Beliebtheit. Sie werden oft als die „Demokratisierung der Geldanlage“ gefeiert, da sie Anlegern eine breite Diversifikation zu minimalen Kosten ermöglichen. Noch nie war es für Privatanleger einfacher, an den globalen Kapitalmärkten zu partizipieren.

Doch ist diese Erzählung die ganze Wahrheit? Angesichts einer Flut neuer, themenspezifischer ETFs – von Cannabis über Work-from-Home bis hin zu Künstlicher Intelligenz – drängt sich eine kritische Frage auf: Dienen all diese Produkte wirklich dem Anleger? Eine neue, umfassende Studie der Ökonomen Itzhak Ben-David et al., veröffentlicht als Arbeitspapier des renommierten US-amerikanischen National Bureau of Economic Research (NBER), zeichnet ein beunruhigendes Bild. Sie deckt eine klare Zweiteilung des Marktes auf und belegt, dass gerade die als innovativ vermarkteten Spezial-ETFs erhebliche, oft übersehene Risiken bergen.

II. Die überraschenden Erkenntnisse über den ETF-Markt

Die wissenschaftliche Analyse fördert harte Fakten zutage, die jeder Anleger kennen sollte.

1. Die schockierende Wahrheit: Spezial-ETFs vernichten systematisch Vermögen

Der Leistungsunterschied zwischen breit gestreuten Standard-ETFs und spezialisierten Themen-ETFs ist dramatisch. Die zentrale, kontraintuitive Erkenntnis der Studie ist, dass spezialisierte ETFs im Durchschnitt eine stark negative risikobereinigte Rendite (Alpha) erzielen (also eine Rendite, die nach Berücksichtigung des eingegangenen Marktrisikos deutlich im Minus liegt). Sie führen also nicht zu Gewinnen, sondern vernichten aktiv das Vermögen ihrer Anleger.

Die Zahlen sind eindeutig:

  • Neu aufgelegte spezialisierte ETFs erzielen in den ersten fünf Jahren nach ihrer Einführung eine risikobereinigte Rendite von durchschnittlich -6 % pro Jahr.
  • Dies führt zu einem kumulativen risikobereinigten Verlust von etwa 30 % über die ersten fünf Jahre.

Im krassen Gegensatz dazu steht die Performance von breit gestreuten ETFs. Deren risikobereinigte Rendite ist statistisch nicht von null zu unterscheiden, was bedeutet, dass sie fair bewertet sind und ihre Funktion – die Abbildung eines Marktes zu geringen Kosten – erfüllen.

Die Autoren der NBER-Studie fassen ihre schockierendste Erkenntnis im Abstract wie folgt zusammen:

 

"Strikingly, over their first five years, specialized ETFs lose about 30% in risk-adjusted terms."

 

2. Das wahre Problem ist nicht die Gebühr, sondern die eingebaute Überbewertung

Man könnte annehmen, dass die höheren Gebühren von Spezial-ETFs für die schlechte Performance verantwortlich sind. Doch das ist nur ein kleiner Teil der Wahrheit. Die Forschung identifiziert eine weitaus fundamentalere Ursache: Die systematische Underperformance ist darauf zurückzuführen, dass die zugrunde liegenden Aktien zum Zeitpunkt der Auflage des ETFs bereits überbewertet sind.

Im Klartext bedeutet dies: Anbieter bringen Produkte auf den Markt, nachdem die zugrunde liegenden Aktien bereits eine massive Kursrallye hinter sich haben und ein Anlagethema seinen medialen und preislichen Höhepunkt erreicht hat. Typische Merkmale der Aktien, die in solchen Trend-ETFs gebündelt werden, sind:

  • Starke vorangegangene Kurssteigerungen (Price run-ups) und hohe positive Medienpräsenz.
  • Hohe Bewertungskennzahlen, wie ein hohes Kurs-Buchwert-Verhältnis (Market-to-Book) oder Kurs-Umsatz-Verhältnis (Price-to-Sales), die auf eine sportliche bis überzogene Bewertung hindeuten.
  • Ein hohes Leerverkaufsinteresse (Short Interest), was signalisiert, dass anspruchsvolle Marktteilnehmer bereits aktiv gegen diese Aktien wetten.

Sie verkaufen Anlegern eine Story über vergangene Erfolge. Die nachfolgenden Verluste sind damit quasi vorprogrammiert, da die überzogenen Bewertungen zur Realität zurückkehren müssen.

3. Ein profitables Geschäft: Wie die Finanzindustrie an der Anlegerstimmung verdient

Hinter spezialisierten ETFs steckt ein gezieltes Geschäftsmodell. Die Anbieter bedienen systematisch die Anlegerstimmung und den psychologischen Drang zum „Performance-Chasing“ – der Jagd nach der Performance von gestern. Sie schaffen Produkte für Themen, die gerade in den Medien populär sind und die Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

Für die Anbieter ist dies ein äußerst profitables Geschäft. Eine Statistik aus der Studie verdeutlicht die Dimension: Obwohl spezialisierte ETFs Ende 2019 nur 18 % der gesamten ETF-Vermögenswerte verwalteten, generierten sie rund 36 % der Gebühreneinnahmen der Branche. Diese überproportionale Profitabilität ist das direkte Ergebnis der Markteinführung von Produkten auf dem Höhepunkt der Bewertung eines Themas. Die hohen Gebühren werden durch eine überzeugende Geschichte der bisherigen Performance gerechtfertigt, die, wie die Daten zeigen, genau der Punkt des maximalen zukünftigen Risikos für den Anleger ist.

4. Die Psychologie der Falle: Wer auf Spezial-ETFs hereinfällt

Dieses Geschäftsmodell ist nur nachhaltig, weil es auf eine spezifische und vorhersagbare Reihe menschlicher Verhaltensweisen abzielt. Die Analyse der Anlegerstruktur offenbart, auf wen diese Produkte zielen: Spezialisierte ETFs sprechen vermehrt Privatanleger an, die als weniger anspruchsvoll gelten und anfälliger dafür sind, vergangene Trends einfach in die Zukunft fortzuschreiben.

Der Anteil institutioneller, also professioneller Anleger, ist bei spezialisierten ETFs signifikant niedriger als bei breit gestreuten Standardprodukten. Profis meiden diese Produkte offenbar. Die Popularität dieser ETFs bei Nutzern von Plattformen wie Robinhood ist kein Zufall; sie ist die Bestätigung, dass die Branche ein Produkt perfektioniert hat, das darauf ausgelegt ist, die psychologische Tendenz weniger erfahrener Anleger auszunutzen, vergangene Renditen zu jagen und spekulative Trends aufzugreifen.

III. Schlussfolgerung: Der Wert unabhängiger Beratung in einer komplexen Welt

Die Kernaussage der Forschung ist klar: Der ETF-Markt ist zweigeteilt. Auf der einen Seite stehen breit gestreute, kostengünstige ETFs, die ein wertvolles und effizientes Werkzeug für den langfristigen Vermögensaufbau sind. Auf der anderen Seite gibt es ein wachsendes Segment spezialisierter Produkte, die oft eine Falle darstellen. Sie basieren auf Anlegerstimmung und bereits eingetretener Überbewertung und führen für den durchschnittlichen Anleger zu erheblichen Verlusten.

Diese Erkenntnisse aus dem US-Markt, einem der am weitesten entwickelten der Welt, sind kein isoliertes Phänomen. Sie offenbaren einen universellen Interessenkonflikt in der produktgetriebenen Finanzwelt. Diese Dynamik existiert in jedem Markt, in dem Anbieter einen Anreiz haben, das zu verkaufen, was populär ist, und nicht das, was vernünftig ist. Daher ist die entscheidende Erkenntnis für jeden Anleger, auch in Deutschland, die Notwendigkeit einer strukturellen Absicherung gegen solche Fallstricke.

Hier zeigt sich der unschätzbare Wert einer unabhängigen, provisionsfreien Beratung. Der wahre Wert eines echten Honorarberaters liegt in seiner Pflicht, Sie vor genau den Fallen zu schützen, die diese Forschung aufdeckt: Produkte abzulehnen, die aus Medien-Hypes geboren wurden, Vermögenswerte zu identifizieren, die bereits überbewertet sind, und eine Strategie zu entwickeln, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert – nicht auf der neuesten, profitabelsten Geschichte der Finanzindustrie.

Ein echter, gesetzlich zugelassener Honorar-Finanzanlagenberater handelt ausschließlich im Interesse des Kunden, da seine Vergütung nicht von Produktprovisionen abhängt. Statt auf kurzlebige Trends setzen diese Experten auf bewährte, kostengünstige und breit diversifizierte Anlagestrategien.

Wenn Sie sicherstellen möchten, dass Ihre Anlagestrategie auf einem soliden Fundament und nicht auf dem nächsten Hype basiert, sollten Sie auf geprüfte Experten setzen. Qualifizierte und zugelassene Honorar-Finanzanlagenberater finden Sie im Honorarberater-Register des Verbund Deutscher Honorarberater.

Welcher Trend-ETF in Ihrem Umfeld wird Ihrer Meinung nach als Nächstes die schmerzhafte Korrektur von der Realität erfahren?

Studien-Quelle: COMPETITION FOR ATTENTION IN THE ETF SPACE (Itzhak Ben-David Francesco Franzoni Byungwook Kim Rabih Moussawi)